3. Verantwortung übernehmen
Wenn eine Person sagt, sie liebe Tiere und Sie bekommen mit, dass sie immer wieder vergisst, dem eigenen Hund Wasser zu geben, und er Durst ertragen muss, werden Sie ihr die Liebe nicht abnehmen. Liebe bedeutet auch, Verantwortung zu übernehmen. Sie können zwar jedermann gegenüber präsent sein, die Person sehen und achten, aber Sie können nicht für alle Verantwortung übernehmen.
Ein Leader sollte sich die Frage stellen, wofür und für wen er Verantwortung übernehmen will und kann. Als einzelne Person haben Sie nur begrenzt Energie und Zeit zur Verfügung. Für wen wollen Sie diese investieren? Diese Frage scheint rhetorisch zu sein, denn die Antwort wird bei den meisten ganz selbstverständlich lauten: »Ich übernehme Verantwortung für meine Familie und meine Mitarbeiter.« Aber auch hier muss man wieder unterscheiden zwischen wohlklingenden Worten und dem Verhalten, das dazu oft im Widerspruch steht. Was uns wichtig ist und wofür wir Verantwortung übernehmen, zeigt sich immer im Handeln, nicht im Reden.
Bezogen auf die Familie fällt mir eine Geschichte ein, bei der die Mutter zum Kind sagt: »Morgen kommt jemand, den du sehr gerne hast, den du aber nur ganz selten siehst.« Gemeint war damit die weit entfernt wohnende Oma. Das Kind strahlt und antwortet: »Der Papa?« – Es liegt in der Verantwortung der Eltern, Zeit für ihre Kinder zu finden und sich selbst in einen Zustand zu versetzen, dass die Kinder das Beisammensein als schön empfinden. Das geht nicht immer, aber es sollte regelmäßig der Fall sein. Verantwortung zu übernehmen kann im Sinne der Familie auch bedeuten, eine Beförderung abzulehnen, weil die ohnehin schon hohe zeitliche und psychische Belastung im Beruf durch die Annahme noch weiter steigen würde.
Auch bei den eigenen Mitarbeitern stellt sich die Frage, was genau Sie darunter verstehen, ihnen gegenüber Verantwortung zu übernehmen. Diese Frage ist keineswegs trivial. Was bedeutet es ganz konkret? Woran merken Ihre Mitarbeiter, dass Sie Verantwortung für diese übernehmen? Lassen Sie uns dazu ein paar Beispiele betrachten:
⇒ Verantwortung übernehmen bedeutet, die Mitarbeiter zu schützen, wenn sie Fehler gemacht haben. Fehler des Mitarbeiters sind nach oben und nach außen Fehler des Chefs. Er trägt die Verantwortung und steht dafür gegenüber seinem Vorgesetzten oder Kunden gerade. Leider ist es manchmal eher so, dass Chefs nicht nur für die Fehler ihrer Leute eben nicht einstehen, sondern sogar die eigenen Fehler auf genau diese Mitarbeiter schieben. Das ist natürlich ein schwaches Verhalten und zeugt von mangelnder Charakterstärke.
⇒ Verantwortung übernehmen heißt, sich für die Entwicklung des anderen einzusetzen. Personalentwicklung ist nicht eine Sache der Personalabteilung, sondern des jeweiligen Vorgesetzten. Jeder Mensch hat ein bestimmtes Wachstumspotenzial. Ihre Aufgabe als Chef ist es, dafür zu sorgen, dass dieses Potenzial im Rahmen der Möglichkeiten verwirklicht werden kann. Dies bedeutet zum Beispiel, jemandem eine Aufgabe zu geben, damit er etwas Neues lernen kann, obwohl jemand anderes das Ganze wesentlich schneller bearbeiten würde und Sie danach auch noch Feedback geben müssen. All das kostet Ihre Zeit.
⇒ Verantwortung übernehmen heißt, sich für die Mitarbeiter und ihre Bedürfnisse einzusetzen. Da fällt mir die Geschichte ein, die mir einst ein Manager erzählte: Er setzte sich bei seinem Vorgesetzten zum wiederholten Male mit Vehemenz dafür ein, dass einige seiner Mitarbeiter in Zeiten knapper Kassen eine Gehaltserhöhung bekommen sollten, weil sie sehr gute Arbeit geleistet hatten. Irgendwann am Ende eines solchen Verhandlungsmarathons sagte sein Chef zu ihm: »Sagen Sie mal, Sie setzten sich immer so für Ihre Leute ein, aber für sich selbst verlangen Sie nie Gehaltserhöhung, obwohl Sie eine super Job machen. Wie kann das sein? »Richtig«, antwortete der Manager, »das tue ich nicht, denn das ist Ihre Aufgabe.«
⇒ Verantwortung übernehmen heißt, dem Mitarbeiter Rückmeldung zu seiner Leistung zu geben. In Unternehmen stelle ich zum Beispiel immer wieder fest, dass Vorgesetzte Mitarbeitern, die eine bestenfalls mittelmäßige Leistung erbracht haben, trotzdem im Jahresgespräch eine wohlwollende Beurteilung geben. Sie scheuen den Konflikt und wollen sich selbst den Stress eines Kritikgesprächs ersparen. Kommt dann eine Kosteneinsparrunde, wird genau dieser Mitarbeiter als Erster entlassen, ohne dass er jemals die Chance hatte, sein Verhalten zu ändern. Ein Chef soll Fehlleistungen ansprechen. Er hat dabei die Verantwortung, sich sorgsam auf das Gespräch vorzubereiten und es so wertschätzend zu führen, dass der Mitarbeiter die Kritik prinzipiell annehmen kann.

Cartoon 25: Entschuldigung
Natürlich sollte die Führungskraft zuerst auch die Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen. Das beginnt damit, dass sie sagt, was sie tun wird, und tut, was sie sagt. Wenn ihr Fehler unterlaufen sind, sollte sie die Größe haben, diese zuzugeben. Hat die Führungskraft jemanden verletzt oder unrecht behandelt, ist eine ehrliche Entschuldigung angebracht. Sie wissen wahrscheinlich aus eigener Erfahrung, dass diese drei Verhaltensweisen nicht unbedingt typisch für Manager sind.
Bitte hier weiterlesen: 4. Gutes im Leben anderer bewirken