Eine globale Erdölgesellschaft, die auch in Südafrika präsent ist, wurde vom Präsidenten Nelson Mandela gebeten, eine Grundschule für ein dicht besiedeltes Gebiet zu sponsern und zu bauen. Der Konzern sagte zu. Während der Bau voranschritt, erhielt der zuständige Manager eine Einladung, mit Nelson Mandela zu frühstücken, um ihn über die Fortschritte zu informieren. Der Manager war aufgeregt ob dieser besonderen Ehre. Am großen Tag ließ er sich morgens von einem einheimischen Werksfahrer abholen und zu Mandelas Anwesen fahren. Zu seiner großen Überraschung wartete Mandela bereits an der Auffahrt auf ihn, wie man dies bei besonders wichtigen Gästen tut. Er begrüßte den Manager warmherzig und lud mit einer Geste ins Haus ein.
Als beide schon am Tisch saßen, schien Mandela etwas zu vermissen und fragte: »Sie waren doch vorhin zu zweit?« Der Manager überlegte kurz und antwortete etwas verwirrt: »Nein, Sir, ich bin alleine gekommen.« Mandela insistierte, was denn mit der anderen Person sei. Dem Manager dämmerte, wen Mandela meinte, und er antwortete: »Nein, Sir, das ist nur ein Fahrer. Der wartet im Auto.« Mandela erhob sich daraufhin vom Tisch und ging nach draußen, um den Chauffeur ebenfalls herzlich zum Frühstück einzuladen. Er erkundigte sich freundlich nach dessen Namen und bestellte für ihn in der Küche ein weiteres Gedeck. Der Manager war beschämt, weil er selbst den schwarzen Fahrer kaum wahrgenommen und ihm keine Bedeutung zugemessen hatte.
Nach dem Frühstück verabschiedete sich Mandela von den beiden, und der Fahrer lenkte den Wagen vom Grundstück. Kaum auf der Straße, hält der Fahrer am Straßenrand an. Er steigt aus, läuft um das Auto, öffnet die Tür und kniet nieder. Sichtlich berührt dankt er dem Manager mit Tränen in den Augen dafür, dass er Mandela darum gebeten habe, ihn am Frühstück teilnehmen zu lassen. Der überraschte Manager antwortet, das sei doch selbstverständlich und das Mindeste, was er hätte tun können. Er hoffe, es habe ihm gefallen. In den folgenden Tagen plagen ihn aber Gewissensbisse und er bittet den Fahrer schließlich zu sich, um ihm zu sagen, wer wirklich die Idee hatte, ihn zum Frühstück hinzuzubitten: der auch von ihm gewählte Präsident persönlich.
Diese Geschichte zeigt sehr anschaulich, was Präsenz bedeuten kann. Wer präsent ist, nimmt die Menschen in seiner Umgebung bewusst wahr. Er schaut sie an und signalisiert mit seinen Blicken: »Ich sehe dich.« Und auch in diesem Beispiel wird deutlich: Den anderen ansehen schafft Ansehen. Wie Mandela war die Friedensnobelpreisträgerin Mutter Teresa bekannt für Ihre besondere Präsenz.
Manager konzentrieren sich manchmal zu sehr auf die für sie wichtigen Funktionsträger oder Menschen, von denen sie sich einen Nutzen versprechen. Als junger Mitarbeiter habe ich meinen damaligen Chef einmal zu einem Meeting mit einem wichtigen und einflussreichen Kunden begleitet. Dieser Kunde gab mir zur Begrüßung kurz die Hand, schaute dann aber während des gesamten Gesprächs ausschließlich meinen Chef an. Mich hatte er offensichtlich in die Schublade »jung und bedeutungslos« (vergleichbar »das ist nur der Fahrer«) eingeordnet. Ich kann mich heute noch daran erinnern, wie es war, 60 Minuten lang wie Luft behandelt zu werden, obwohl ich ihm direkt gegenübersaß. Tatsächlich sagt dieses Verhalten mehr über denjenigen aus, der den anderen nicht beachtet, als über den, der nicht gesehen wird. Trotzdem ist es für viele Menschen eine unschöne Erfahrung, die einem präsenten Leader so nicht passieren wird.
Wie präsent sind Sie? Wie wichtig ist Ihnen die Rolle oder Funktion einer Person? Nehmen Sie alle Menschen ihrer Umgebung wahr und achten Sie diese?
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