Viele »Menschen, die Mutter Teresa oder ihre Schwestern kennengelernt haben, waren beeindruckt von der Fröhlichkeit, die ansteckend wirkte, trotz der meist schwierigen Umstände, in denen die Schwestern selbst leben und unter denen sie arbeiten«1, schreibt Leo Maasburg, der Autor des beeindruckenden Buches »Mutter Teresa – Die wunderbaren Geschichten«.
Für Mutter Teresa war Fröhlichkeit ein wichtiger Bestandteil ihrer Lehre. Sie hatte bereits bei der Gründung ihres Ordens der Missionarinnen der Nächstenliebe formuliert, dass der Geist der Gemeinschaft durch drei Haltungen geprägt sein sollte:
loving trust (liebendes Vertrauen)
total surrender (völlige Hingabe)
cheerfulness (Fröhlichkeit, Freundlichkeit)
Eine gewisse Fröhlichkeit und Freundlichkeit zeichnet auch gute Führungsarbeit aus. Allerdings fällt es vielen Vorgesetzten in Zeiten hoher Komplexität, dauernden Wandels und zunehmenden Drucks immer schwerer, diese Fröhlichkeit zu empfinden oder gar zu zeigen. Hier sind Mutter Teresa und ihre Schwestern großartige Beispiele, denn diese standen oft unter erheblichem Druck aus anstrengenden Aufgaben, mangelnden Mitteln und hoher psychischer Belastung. Eine Anekdote über einen amerikanischen Journalisten macht das anschaulich: Er beobachtete, wie Mutter Teresa einen Kranken mit großen offenen Geschwüren versorgte. Angeekelt soll er gesagt haben, dass er diese Arbeit nicht für eine Millionen Dollar machen würde. Mutter Teresa antwortete ihm: »Ja, für eine Millionen Dollar würde ich es auch nicht tun.«2 Es fiel immer wieder auf, dass Mutter Teresa und ihre Ordensschwestern selbst solche Aufgaben oft mit Fröhlichkeit und einem Lächeln für den jeweiligen Menschen verrichteten.
Maasburg schreibt: »Einmal sei ein Mann in das Haus für die Sterbenden in Kalkutta gekommen, ohne auch nur ein Wort zu sprechen, so erzählte Mutter Teresa. Er ging nur durch die Reihen, und als er dann wieder hinausging, sagte er zu einer Schwester: ›Ich habe nicht an einen Gott geglaubt, aber jetzt glaube ich, dass es einen Gott gibt, denn es kann nur ein Gott sein, der den Schwestern in einer so schrecklichen Umgebung so viel Liebe und Freude schenkt.‹«3
Mutter Teresa nahm es als ihre Aufgabe an, die Liebe Gottes zu den Ärmsten der Armen (the poorest of the poor) zu bringen. Fröhlichkeit sah sie als einen wichtigen Ausdruck dieser Liebe. Wenn jemand seine Arbeit missmutig und unfreundlich verrichtet, kann man von Pflichterfüllung sprechen, aber sicherlich nicht von Liebe. Mutter Teresa hat es so formuliert: »Eine fröhliche Schwester ist wie ein Sonnenstrahl der Liebe Gottes. Sie ist ein Hoffnungsstrahl der ewigen Glückseligkeit.«4 Und an anderer Stelle sagt sie zu einer Gruppe ihrer Schwestern: »Wenn ihr einem Menschen begegnet, der kein Lächeln auf den Lippen hat, dann gebt ihm eines eurer Lächeln.«5
Ein oft zitierter Satz von Mutter Teresa lautet: »Es kommt nicht darauf an, wie viel wir geben. Es kommt darauf an, wie viel Liebe wir in dieses Geben legen.« Diesen Satz habe ich lange nicht verstanden, weil ich der Meinung war, mehr zu geben sei doch besser als weniger zu geben. Das mag bei einer Geldspende zutreffen. Tatsächlich können wir aber in vielen Situationen des Lebens nicht »viel« im materiellen Sinne geben. Wichtig ist eher, wie wir uns in den vielen kleinen Situationen des Alltags verhalten. Eine Führungskraft kann bei vielen Gelegenheiten etwas in der Geisteshaltung der Liebe tun, indem sie einem Mitarbeiter Zeit und Aufmerksamkeit schenkt, sich ganz der Person widmet, ihr zuhört, eine positive Rückmeldung gibt oder einfach ein Lächeln schenkt. Es sind diese vermeintlich »kleinen Dinge«, die zählen und den Unterschied machen. Wer wie Mutter Teresa in der Geisteshaltung der Liebe lebt, der achtet auf diese kleinen Gesten, der gibt sie gern und strahlt deshalb und auch dem Menschen zuliebe Fröhlichkeit aus.
Jetzt könnte man annehmen, Fröhlichkeit hätte vielleicht im Wesen von Mutter Teresa gelegen. Es gibt ja Menschen, die geborene Frohnaturen sind. In der Tat haben viele sie lächelnd und fröhlich erlebt und auch auf den meisten Fotos lächelt sie. Tatsächlich weiß man aber heute, dass sie oft keineswegs frohgemut war. In ihren geheimen Aufzeichnungen, die Brian Kolodiejchuk herausgegeben hat, schreibt sie, wie sehr sie sich von Gott verlassen fühlte. Sie habe ihr Dasein »in diesem furchtbaren Leiden«6 verbringen müssen, das in Kirchenkreisen nach einem Werk des Mystikers Johannes vom Kreuz die »dunkle Nacht der Seele« genannt wird. Gemeint ist damit der Zusammenbruch oder Verlust von etwas, das dem Leben einen Sinn gegeben hat. Mutter Teresa schreibt über sich: »… ich finde keine Worte, um die Abgründe meiner Dunkelheit mitzuteilen.«7 Wer die intensiven Schwarz-Weiß-Fotos des indischen Meisterfotografen Raghu Rai von Mutter Teresa betrachtet, kann diesen Teil ihrer Persönlichkeit erahnen.
Leo Maasburg schreibt zur Erfahrung der dunklen Nacht der Seele bei Mutter Teresa: »Gerade in diesem Zusammenhang scheint es mir wichtig zu betonen, dass die Freude in ihrem Leben und Wirken einen ganz besonderen Platz eingenommen hat. Damit ist nicht nur die natürliche Freude eines fröhlichen Herzens gemeint, sondern auch die gewollte Freude, also die Freude, für die ich mich entscheide. Ihr Spruch ›Wenn du nicht lächelst, dann mach ein Lächeln‹ (If you don’t smile, make a smile) zeigt, dass für Mutter Teresa die Freude nicht einfach ein grünes Lämpchen unseres Gemütszustands war, sondern dass dieser Gemütszustand auch von unserem eigenen Willen abhängt.«8
Auch als Führungskraft erleben Sie manchmal schwere Zeiten mit Ängsten, Sorgen und Belastungen. Hier kann Mutter Teresa Ihnen eine Inspiration sein, Ihre Fröhlichkeit nicht zu verlieren. Mit Fröhlichkeit meine ich nicht die »Gute-Laune-Maske«, die manche Vorgesetzte aufsetzen, um zu suggerieren: »Ich bin immer gut drauf, mich kriegt man nicht unter.« Diese ist egozentriert, denn es geht demjenigen hauptsächlich darum, sich selbst gut darzustellen. Die Fröhlichkeit und Freundlichkeit von Mutter Teresa erforderte, wie Maasburg treffend formuliert, immer wieder eine bewusste Willensentscheidung. Man kann sich im Umgang mit anderen auf sein Gegenüber einlassen und immer wieder für kurze Augenblicke Fröhlichkeit im menschlichen Miteinander empfinden und ausdrücken, auch wenn man selbst gerade eine Krise durchlebt. Es gelingt, wenn man sich mit Präsenz auf den anderen einlässt und das eigene Ego immer wieder zurückstellt. Mutter Teresa hat genau das vorgelebt.
1 Maasburg, Leo: Mutter Teresa – Die wunderbaren Geschichten, München 2010, S. 216.
2 Ebenda, S. 51.
3 Ebenda, S. 229.
4 Ebenda, S. 218.
5 Ebenda, S. 229.
6 Mutter Teresa: Komm, sei mein Licht: Die geheimen Aufzeichnungen der Heiligen von Kalkutta. Hrsg. von Brian Kolodiejchuk, München 2007, S. 203.
7 Ebenda, S. 203.
8 Maasburg, Leo: Mutter Teresa – Die wunderbaren Geschichten, München 2010, S. 228.
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Da ich selber das Buch der wunderbaren Geschichten von Mutter Teresa gelesen habe,kann ich nur bestätigen,dass Mutter Teresa selber ein Wunder Gottes ist mit ihren Wundertaten und ihrem festen Glauben an unseren lieben Gott,der nur eines will,nämlich den Frieden zwischen den Menschen!Und dieser ist nur durch unsere gegenseitige Liebe zu bekommen,denn wenn sich alle gegenseitig so lieben ,wie Jesus uns dies vorgelebt hat,dann würden wir friedlich miteinander leben können und keiner müsste hungern,da jeder bereit wäre zum Teilen!Aus Gottes Liebe kann so viel Gutes entstehen!
Das Buch ist sehr zu empfehlen,macht euch gegenseitig eine Freude und verschenkt es zu Weihnachten!