Viele Führungskräfte haben Mitarbeiter mit großem ungenutzten Leistungspotenzial. Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass allgemein mit immer weniger Mitarbeitern immer mehr bewältigt werden muss. Tatsächlich sind viele Berufstätige an der Grenze ihrer Belastbarkeit angelangt. Wo also liegen die ungenutzten Leistungsreserven? Und wer erbringt tatsächlich wie viel Leistung? Antworten darauf gibt Ihnen eine vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales beauftragte Mitarbeiter-Studie, für die in 314 Unternehmen in Deutschland 37 000 Mitarbeiter und Manager interviewt wurden.
Die Leistung der Mitarbeiter wird von wenigen Faktoren stark beeinflusst
Die Untersuchung mit dem Titel »Unternehmenskultur, Arbeitsqualität und Mitarbeiterengagement in den Unternehmen in Deutschland« i wurde bereits im Jahr 2008 vom »Great Place to Work Institut Deutschland« in Kooperation mit der Universität zu Köln für das Bundesministerium durchgeführt und veröffentlicht. Das Ergebnis dürfte aber auch heute noch ähnlich aussehen. Die umfangreichen empirischen Daten wurden unter anderem nach gemeinsamen Mustern in den Antworten untersucht. Tatsächlich konnte man vier Mitarbeitertypen vor allem auf der Basis ihres Engagements und ihrer Zufriedenheit unterscheiden. Die Studie zeigt, dass die prozentuale Verteilung dieser vier Typen in der Belegschaft Aussagen über die Leistung und den Erfolg eines Unternehmens oder eines Bereichs zulassen.
Die Unterscheidung der vier Mitarbeitertypen hat damit einen hohen Praxisnutzen für die einzelne Führungskraft: Sie lässt Schlussfolgerungen zu, wo bei den eigenen Mitarbeitern das meiste ungenutzte Potenzial für Leistung liegen könnte. Bei den Links zu den vier Mitarbeitertypen sind Auszüge aus dem Originaltext der Studie zur Beschreibung dieser Typen hinterlegt – mit freundlicher Genehmigung des »Great Place to Work Institutes Deutschland«. Bei den einzelnen Mitarbeitertypen finden Sie deren Strategien und Orientierungen im Umgang mit ihrer Arbeit beschrieben. Es dürfte den meisten Führungskräften leichtfallen, einen guten Anteil ihrer Mitarbeiter danach einzuschätzen und den Zusammenhang zu deren Leistung zu erkennen.
Diese Beschäftigten zeichnen sich durch eine hohe Arbeitszufriedenheit und eine hohe Identifikation im Sinne von Stolz auf ihren Arbeitgeber aus. Sie möchten noch lange bei ihrem Arbeitgeber bleiben und zeigen dabei die höchste Einsatzbereitschaft der betrachteten Typen. Die Aktiv-Engagierten identifizieren sich stark mit ihrer Tätigkeit und zeigen insgesamt ein hohes Maß an intrinsischer Motivation und Selbststeuerung: Für sie ist ihr Beruf eindeutig mehr als nur ein Mittel, um Geld zu verdienen, und sie würden auch dann noch arbeiten, wenn sie das Geld nicht mehr bräuchten. Sie achten stark darauf, ihr Wissen auf dem Laufenden zu halten und vertrauen auf ihre Fähigkeiten, sodass sie Schwierigkeiten gelassen entgegensehen können. Darüber hinaus sind die Aktiv-Engagierten dadurch gekennzeichnet, dass sie aktiv nach Gelegenheiten suchen, ihre Arbeit mit Freude zu erledigen. Sorgen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, machen sich Aktiv-Engagierte kaum. Aktiv-Engagierte sind nicht nur, aber doch überdurchschnittlich häufig in Führungspositionen anzutreffen. Sie sind tendenziell älter – 58 % sind über 40 Jahre alt – und weisen häufiger als die anderen Mitarbeiter-Typen einen (Fach )Hochschulabschluss auf (25 %).
Passiv-Zufriedene sind mit ihrer Arbeit insgesamt relativ zufrieden. Sie identifizieren sich ebenfalls überdurchschnittlich mit ihrem Arbeitgeber und zeigen eine relativ hohe Bindung. Sie bewerten ihren Arbeitsplatz alles in allem positiv und geben auch an, Spaß bei der Arbeit zu haben. Auffällig ist jedoch, dass die Passiv-Zufriedenen eine nur durchschnittlich ausgeprägte Einsatzbereitschaft und eine geringer ausgeprägte Selbststeuerungsorientierung aufweisen: Sie achten weniger stark darauf, ihr berufsbezogenes Wissen und ihre Fähigkeiten auf dem Laufenden zu halten und vertrauen in geringerem Maße auf ihre eigenen Fähigkeiten. Zudem suchen sie selten nach Gelegenheiten, ihre Arbeit mit Freude zu erledigen. Insgesamt sind die Passiv-Zufriedenen überdurchschnittlich zufrieden mit der Arbeit, zeigen eine damit verglichen geringere Einsatzbereitschaft und nur wenige Ansätze zur aktiven Gestaltung der persönlichen Arbeitssituation. Die Gruppe der Passiv-Zufriedenen weist den höchsten Frauenanteil auf, denn 45 Prozent aller befragten Frauen zählen zu dieser. Daneben gibt es keine Besonderheiten in den soziodemografischen Merkmalen dieser Gruppe.
Im Vergleich zu den anderen Typen zeichnen sich Akut-Unzufriedene durch eine im Vergleich sehr geringe Arbeitszufriedenheit und eine sehr schwache Identifikation mit ihrem Arbeitgeber aus. Am auffälligsten ist die extrem geringe Bindung der Akut-Unzufriedenen, die auf ›innere Kündigung‹ bzw. auf eine direkte Kündigungsbereitschaft schließen lässt. Entsprechend ist auch ihre Sorge um den Arbeitsplatz nur schwach ausgeprägt. Die Einsatzbereitschaft der Akut-Unzufriedenen ist die geringste unter den vier Typen. Wichtig ist jedoch festzuhalten, dass die Akut-Unzufriedenen nicht grundsätzlich unmotiviert sind zu arbeiten: So geben sie häufiger als der Durchschnitt an, auch dann berufstätig sein zu wollen, wenn sie das Geld nicht bräuchten. Ihre Aufmerksamkeit auf eine Aktualisierung ihres Wissens und ihrer Fähigkeiten sowie die Suche nach Gelegenheiten, ihre Arbeit mit Freude erledigen zu können, liegen etwa im Durchschnitt aller Befragten bzw. leicht darüber. Die kritische Haltung bezieht sich daher vielmehr auf die aktuellen Arbeitsbedingungen und ihren derzeitigen Arbeitgeber. Die Akut-Unzufriedenen weisen einen leicht erhöhten Anteil an Akademikern auf (26 %) und sind im Durchschnitt etwas jünger (49 % sind jünger als 40 Jahre).
Besonderes Kennzeichen der Desinteressierten ist die grundsätzlich geringe Bedeutung, die sie der Berufstätigkeit geben, und ihre gering ausgeprägte Fähigkeit zur Selbststeuerung: Sie sind deutlich weniger als die anderen Typen bemüht, ihre Arbeit mit Freude zu erledigen und ihr berufsbezogenes Wissen auf dem Laufenden zu halten. Vielleicht haben sie auch deshalb weniger Vertrauen in ihre Fähigkeiten und bleiben bei Schwierigkeiten bei der Arbeit weniger gelassen. Die Arbeitszufriedenheit und das Engagement der Desinteressierten sind nur unterdurchschnittlich ausgeprägt; sie erleben das Unternehmen und die Arbeit aber weniger negativ als die Akut-Unzufriedenen. Im Hinblick auf die Soziodemografie fällt auf, dass die Desinteressierten überdurchschnittlich häufig einer körperlichen Arbeit nachgehen (49 % vs. 33 % im Gesamtteilnehmerfeld) und häufiger einen Berufsabschluss mit gewerblicher oder landwirtschaftlicher Lehre aufweisen. Außerdem zeigt sich bei den Desinteressierten ein auffallend hoher Männeranteil (72 %).
Sie kennen sicher die eine oder andere Mitarbeitertypologie. Viele davon sind schlicht erfunden und kommen ohne Nachweise aus. Wichtig ist deshalb, dass die in dieser Studie getroffene Unterteilung in vier Typen der Auswertung von 37.000 Interviews entspricht und auch Leistungsdaten zu den Unternehmen einbezieht.
Die Grafik 1 zeigt die durchschnittliche Verteilung der Mitarbeitertypen in deutschen Unternehmen. Danach umfasst die Gruppe der Aktiv-Engagierten 31 Prozent – fast jeder Dritte identifiziert sich demnach also stark mit seinem Unternehmen! Der Anteil liegt doppelt so hoch wie bei dem jährlich erscheinenden Gallup Engagement Index, der für 2015 nur bei 16 Prozent (2008 waren es sogar nur 13 Prozent) der Mitarbeiter eine hohe emotionale Bindung an den Arbeitgeber ausweist.
Der Anteil der Mitarbeitertypen hat einen starken Einfluss auf den Unternehmenserfolg
Bleibt die Frage, wie der Zusammenhang zwischen der Mitarbeiterzusammensetzung und dem Unternehmenserfolg ist. Die Grafik 2 gibt Ihnen die Antwort darauf. Hier wird die Verteilung der Mitarbeitertypen bei den Top-30-Unternehmen nach Unternehmenserfolg verglichen mit der Verteilung in den Bottom-30-Unternehmen nach Unternehmenserfolg.
Der prozentuale Anteil der Passiv-Zufriedenen und der Desinteressierten unterscheidet sich bei erfolgreichen und den weniger erfolgreichen Unternehmen kaum. Die größten Unterschiede gibt es bei den Anteilen der Aktiv-Engagierten und der Akut-Unzufriedenen. Akut-Unzufriedene sind in den erfolgreichen Unternehmen wesentlich weniger vertreten, während der Anteil an Aktiv-Engagierten umso größer ist. Dafür kann es mehrere Gründe geben, die sich nicht mit Sicherheit zuordnen lassen. Ursache und Wirkung können hier leicht verwechselt werden. Die Studie kommt aber zu dem naheliegenden Schluss, dass eine Kultur der Mitarbeiterorientierung mehr Mitarbeiter in Aktiv-Engagierte verwandelt und einen Teil der Akut-Unzufriedenen aus ihrer Rolle herausholt.
Die Akut-Unzufriedenen sind ein Schlüssel zur Steigerung der Leistung
Was heißt das nun für eine einzelne Führungskraft? Es scheint so, dass gerade die Gruppe der Akut-Unzufriedenen, zu der in einem durchschnittlichen deutschen Unternehmen fast jeder fünfte Mitarbeiter gehört (Grafik 1), die größten aktivierbaren Leistungspotenziale bereithält. In der Beschreibung dieses Mitarbeitertyps heißt es:
»Wichtig ist jedoch festzuhalten, dass die Akut-Unzufriedenen nicht grundsätzlich unmotiviert sind zu arbeiten: So geben sie häufiger als der Durchschnitt an, auch dann berufstätig sein zu wollen, wenn sie das Geld nicht bräuchten. Ihre Aufmerksamkeit auf eine Aktualisierung ihres Wissens und ihrer Fähigkeiten sowie die Suche nach Gelegenheiten, ihre Arbeit mit Freude erledigen zu können, liegen etwa im Durchschnitt aller Befragten bzw. leicht darüber. Die kritische Haltung bezieht sich daher vielmehr auf die aktuellen Arbeitsbedingungen und ihren derzeitigen Arbeitgeber.« iii
Meine persönliche Erfahrung ist, dass Unzufriedene manchmal eine starke Motivation entwickeln, wenn man sie mit Respekt behandelt und einen echten Dialog eröffnet. Viele der Akut-Unzufriedenen wollen ja durchaus Leistung erbringen, auch wenn sie aktuell Dienst nach Vorschrift oder gar weniger machen. Ihre kritische Haltung ist oft den aktuellen Arbeitsbedingungen geschuldet. Zu diesen Arbeitsbedingungen gehören natürlich auch Sie als direkter Vorgesetzter. Laut einer Studie der Ruhr-Universität Bochum ist der Vorgesetzte als Hauptkündigungsgrund mittlerweile vom Platz 2, den er jahrelang in verschiedenen anderen Studien hatte, auf Platz 1 gerückt.iv Manchmal liegt es also auch am Chef oder der Chefin selbst. Es ist anzunehmen, dass die Akut-Unzufriedenen in der Vergangenheit wenig Wertschätzung und Anerkennung, vielleicht sogar Geringschätzung oder Demütigungen erfahren haben.
Tipp: Lesen Sie auch den Artikel: Lob und Anerkennung – Was die Besten anders machen
Ein Leader, der sich wirklich für die Bedürfnisse der Mitarbeiter interessiert und sich für diese einsetzt, kann einen guten Teil der Akut-Unzufriedenen aus dieser Rolle herausholen. Das lässt sich in der Praxis immer wieder beobachten.
Fragen zur Reflexion:
- Wie würden Sie Ihre Mitarbeiter nach den vier Typen einteilen? Wen stufen Sie in die Gruppe der Akut-Unzufriedenen ein?
- Welchen Anteil haben Sie als Führungskraft an der Unzufriedenheit? Haben Sie in den letzten sechs Monaten mit dieser Person ein wertschätzendes Mitarbeitergespräch geführt? Wann haben Sie ihr das letzte Mal ein positives Feedback gegeben?
- Wie wollen Sie diese Person positiv beeinflussen?
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i Hauser, Frank; Schubert, Andreas u. Aicher, Mona: Unternehmenskultur, Arbeitsqualität und Mitarbeiterengagement in den Unternehmen in Deutschland. Ein Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Abschlussbericht. URL: http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/forschungsbericht-f371.pdf [Abruf: 30.03.2016].
ii Quelle der Grafik: Ebenda, S. 134.
iii Ebenda, S. 116 f.
iv siehe dazu: »Kündigungsgrund Nummer eins: der Chef«. URL: http://www.sueddeutsche.de/karriere/ungluecklich-im-job-kuendigungsgrund-nummer-eins-der-chef-1.163790 [Abruf: 30.03.2016].