Wie Sie auch schwierige Mitarbeiter akzeptieren
Jetzt stellen Sie sich im Vergleich dazu vor, der Mitarbeiter bekäme einen neuen Chef. Dieser neue Vorgesetzte nimmt die Situation erst einmal an, wie sie ist. Vom gelegentlich aufkommenden Ärger kann er sich schnell wieder lösen. Er bewertet den Mitarbeiter nicht wie sein Vorgänger als »Leistungsverweigerer« und »Nervfaktor«, sondern versucht ihn zu sehen, wie er ist. Er sieht den Menschen und erkennt dessen Nöte. Er nimmt sich Zeit und spricht mit dem Mitarbeiter dessen Aufgaben in Ruhe durch. Der neue Chef gibt dem Mitarbeiter auch die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Da er keine Ungeduld und keine latente Aggression ausstrahlt, traut sich der Mitarbeiter auch, seine Fragen zu stellen. Außerdem formuliert der neue Chef die Aufgaben für den Mitarbeiter zum Teil noch einmal in kurzer Form schriftlich und schickt sie ihm als Mail. Seitdem gibt es viel weniger Missverständnisse. Manchmal liefert der Mitarbeiter seine Arbeit aber immer noch in nicht befriedigender Form ab. Sein Chef nimmt sich dann die Zeit, ihm aufzuzeigen, was genau er sich anders gewünscht hätte. Vieles von dem, was der Vorgesetzte ihm erklärt, kann er verstehen. Sie sprechen gemeinsam darüber, wie er sich entwickeln müsste, um den Anforderungen des Jobs besser gewachsen zu sein. Seine Führungskraft gibt ihm klare Lern- und Entwicklungsziele vor. Er tut alles dafür, sie zu erreichen. Die Kollegen sind auch wieder freundlicher, seitdem der neue Chef da ist und ihn mit Achtung behandelt.
Vielleicht denken Sie jetzt, dass ein solches Happy End in der Praxis nicht zustande kommt. So etwas funktioniert nur in Büchern, wird der ein oder andere sagen. In Ordnung, dann lassen Sie uns sehen, wie die Geschichte »realistischer« weitergeht. Nehmen wir an, der Mitarbeiter hat tatsächlich nicht die erforderlichen Fähigkeiten oder die Einstellung, die in dem veränderten Jobumfeld benötigt werden. Was würde dann passieren? Wäre der neue Chef dann nicht doch auch irgendwann verärgert und genervt? Die Antwortet lautet »nein«, wenn er tatsächlich mit Akzeptanz führt. Der Chef könnte dem Mitarbeiter regelmäßig ruhig, klar und wertschätzend Feedback geben und erklären, was aus seiner Sicht nicht ausreichend war. Wenn der Mitarbeiter einsieht, dass er die Arbeit nicht richtig leistet, kann der Vorgesetzte gemeinsam mit diesem überlegen, welche Aufgaben für den Mitarbeiter besser geeignet wären. Anschließend kann er sich auf Stellen innerhalb oder außerhalb des Unternehmens bewerben, die besser zu seinen Fähigkeiten passen.
Was aber, wenn der Mitarbeiter sich weigert, weil ein Wechsel für ihn ein Risiko ist und/oder er einen Einkommensverlust hinnehmen müsste? Dann muss der Vorgesetzte eben selbst die notwendigen Schritte einleiten, sich von dem Mitarbeiter zu trennen. Aber all das kann mit einer wertschätzenden Haltung dem Mitarbeiter als Menschen gegenüber geschehen. Sehr förderlich für diese Haltung ist die Vermeidung von Hochmut und die Entwicklung einer Geisteshaltung der Demut. Das mag ein hoher Anspruch sein, aber wie heißt es so schön: »Einfach kann jeder, wir können schwer!« Und weil es schwer ist, sein eigenes Ego in Schach zu halten, gibt es auch nicht so viele herausragende Führungspersönlichkeiten. Es sollte Ihr Anspruch sein, eine solche zu werden.
Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch „Der Chef, den ich nie vergessen werde“ von Alexander Groth
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