Bei einer Umfrage von StepStone[i], der Online-Jobbörse für Fach- und Führungskräfte, wurden über 10.000 Personen in acht europäischen Ländern gefragt, ob sie deutlich wahrnehmen können, dass die eigene Arbeit geschätzt wird. Im Durchschnitt der acht europäischen Länder beantworteten knapp sechs von zehn Berufstätigen (57 %), die Frage mit »Ja«. Spitzenreiter waren die Niederlande, wo man auch meiner eigenen Erfahrung nach wesentlich freundlicher und wertschätzender kommuniziert, als das in Deutschland verbreitet ist. Fast acht von zehn (78 %) fühlen sich dort anerkannt. Deutschland dagegen war mit nur knapp drei von zehn (28 %) das Schlusslicht in der Umfrage.
Lob und Anerkennung – Deutschland ist eine Wüste
Wie zutreffend ist das Ergebnis dieser nicht wissenschaftlichen Umfrage? Eine wissenschaftliche Studie im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit und Soziales, die vom »Great Place to Work Institut Deutschland« in Zusammenarbeit mit der Universität zu Köln durchgeführt wurde, befragte 37.000 deutsche Arbeitnehmer. Das Ergebnis: »Nur 36 Prozent erleben Anerkennung für die geleistete Arbeit […].«[ii] Zwar sind beide Untersuchungen nicht mehr ganz neu, doch sagen mir die Rückmeldungen von Führungskräften und Mitarbeitern, dass die Ergebnisse durchaus noch aktuell sind. In Deutschland erhält wahrscheinlich nach wie vor nur jeder dritte Berufstätige Anerkennung für die geleistete Arbeit.
Dabei ist das Bedürfnis nach Anerkennung ein menschliches Grundbedürfnis wie das nach Essen und Trinken. Mitarbeiter wollen die generelle Botschaft empfangen: »Du machst einen guten Job. Dein Beitrag ist wichtig. Schön, dass du bei uns bist.« Zwei von drei Berufstätigen in Deutschland empfangen diese Botschaft nicht, einige sogar ihr ganzes Berufsleben lang nicht.
David Novak, bis 2015 CEO von Yum! Brands, erzählt im Vorwort seines Buches »Taking People with You« eine anschauliche Geschichte zum Thema Anerkennung. Yum! Brands unterhält mit seinen drei Ketten KFC, Pizza Hut und Taco Bell weltweit 42.500 Restaurants mit 1,4 Millionen Mitarbeitern in 130 Ländern. Die Geschichte spielt in der Zeit, als Novak noch Manager bei PepsiCo war. Als Verantwortlicher für alle Abfüllungen besuchte er die Werke, um sich vor Ort einen Eindruck zu verschaffen. Bei einem Meeting in St. Louis stellte er den versammelten Managern eine Frage zum Merchandising. Er wollte wissen, was in der Praxis funktionierte und was nicht. In seinen eigenen Worten (Übersetzung von mir):
»Sofort meldete sich jemand zu Wort: ›Bob ist der Experte auf dem Gebiet. Er kann Ihnen sagen, wie man es macht.‹ Jemand anders fügte hinzu: ›Bob hat mir an einem einzigen Tag mehr beigebracht, als ich vorher in zwei Jahren in dem Job gelernt habe.‹ Jede einzelne Person im Raum stimmte zu: Bob war der Beste, den es gab. Ich schaute hinüber zu Bob und dachte, er müsste sich wahnsinnig freuen bei all dem Lob. Stattdessen sah ich, dass Tränen sein Gesicht hinunterliefen. Als ich ihn fragte, was passiert sei, sagte Bob, der über 40 Jahre für das Unternehmen gearbeitet hatte und der in nur zwei Wochen in den Ruhestand gehen sollte: ›Ich habe nicht gewusst, dass irgendjemand hier so über mich denkt.‹«[iii]
Für Novak war das ein Schlüsselerlebnis. Als Leader wollte er nicht mehr zuzulassen, dass in seinen Unternehmen Menschen wie Bob während ihrer ganzen Karriere keine positive Rückmeldung und keinen Dank erhielten. Wie viel mehr hätte Bob von seinem Wissen weitergeben können, wenn dies gefördert worden wäre! Diese Geschichte spielt in den USA, sie hätte aber leider ebenso in Deutschland passieren können. Das muss und das sollte so nicht sein!
Lob und Anerkennung – Der Geheimtipp
Im Alltag sollte professionelles positives Feedback selbstverständlich sein. Ich empfehle darüber hinaus ein einfaches Tool, um Anerkennung für die Mitarbeiter und Respekt für deren Leistung zu zeigen. Zuvor würde ich Ihnen gern zwei Fragen zu Ihrer Leistung in der nahen Vergangenheit stellen:
- Was haben Sie vor genau 12 Monaten gemacht? Rechnen Sie einmal zurück. Was waren in dem Monat Ihre besonderen Herausforderungen und Ihre größten Erfolge?
- Wie war es vor 7 Monaten? Was haben Sie in diesem Monat getan? Was war schwierig und welche Leistung hat Sie vielleicht mit Stolz erfüllt?
Sie wissen es nicht mehr genau? Da sind Sie in guter Gesellschaft: Wir erinnern uns nämlich meist nur an die letzten 100 Tage. Was davor war, wird weitgehend aus dem Gedächtnis gelöscht. Das gilt aber nicht nur für Ihre eigene Leistung, sondern noch stärker für die Leistungen Ihrer Mitarbeiter. Beim Mitarbeitergespräch führt dies häufig zu einer falschen Beurteilung, da sie sich nur auf die letzten 100 Tage bezieht. Dabei ist die Lösung ganz einfach: Führen Sie ein Lobbuch!
Das Lobbuch können Sie sich als echtes Buch anlegen oder als elektronischen Ordner, der für Mitarbeiter nicht zugänglich ist. In dieses Lobbuch schreiben Sie im Laufe des Jahres, was Ihnen an Ihren einzelnen Mitarbeitern positiv auffällt. Vor allem notieren Sie alle außergewöhnlichen Leistungen, die ein Mitarbeiter im Vergleich zu seiner Normalleistung im Laufe des Jahres erbringt.
Lob und Anerkennung – So geben Sie es im Mitarbeitergespräch
Stellen Sie sich bitte die Situation vor, wie eine Führungskraft (FK) im Dezember ein Mitarbeitergespräch mithilfe seines Lobbuches mit einem Mitarbeiter (MA) führt. In Klammern können Sie jeweils lesen, was der Mitarbeiter denkt, aber nicht sagt:
FK: »Herr Meier, ich bin mit Ihrer Leistung und Ihrem Engagement in diesem Jahr sehr zufrieden. Dafür gibt eine Reihe Gründe. Ich will das mal an Beispielen verdeutlichen. Sie erinnern sich sicherlich an das Projekt, das Sie für unseren Kunden ZYX geleitet haben. Das war im Februar. Da gab es eine Reihe personaler und finanzieller Engpässe. Sie haben es trotzdem geschafft, das Projekt termingerecht abzuschließen. Das lag vor allem an Ihrem starken Engagement. Ich erinnere mich noch, dass Sie sogar mal an einem Samstag in der Firma waren, weil etwas am Montag beim Kunden sein musste.«
MA: »Ja klar, ich erinnere mich. (Mannomann, das hatte ich total vergessen. Ja, das war ein echt anstrengendes Projekt. Und es stimmt, da war ich sogar mal einen ganzen Samstag im Büro. Erstaunlich, dass er das nach 11 Monaten noch weiß).«
FK: »Oder denken wir mal an den Mai. Da gab es Probleme mit unserem Service für den Kunden ABC. Obwohl es nicht Ihr direkter Verantwortungsbereich war und es einiges an Arbeit bedeutete, haben Sie sich damals eingebracht und einen schnellen Service sichergestellt. Dass Sie sich so engagiert haben, obwohl Sie selbst nicht die Lorbeeren ernten konnten, fand ich toll. Ich spreche ja öfter vom Teamspirit. Da finde ich, haben Sie ihn vorbildlich vorgelebt.«
MA: »Oh, Danke schön. Das freut mich, wenn Sie das so sehen. (Mein Gott, das hatte ich auch schon vergessen. Toll, dass er das noch weiß.)«
Wenn der Chef oder die Chefin jetzt noch weitere Beispiele bringt, ist der Mitarbeiter nicht nur verblüfft, dass die Führungskraft das Gedächtnis eines Elefanten zu haben scheint. Vor allem fühlt er sich beachtet und bestärkt, dass seine Arbeit wirklich wahrgenommen und geschätzt wird. Natürlich ersetzt das Mitarbeiterjahresgespräch mithilfe des Lobbuches keineswegs das zeitnahe und spezifische positive Feedback im Alltag. Mit dem Lobbuch bekräftigt man das im Laufe des Jahres gegebene Feedback noch einmal in gebündelter Form. Es ist eine wunderbare Form der Anerkennung.
Lob und Anerkennung – So objektivieren Sie Ihre Beurteilung
Ohne Zweifel motivieren Lob und Anerkennung Ihre Mitarbeiter. Außerdem objektiviert es Ihre Beurteilung der Mitarbeiter, denn Sie haben schwarz auf weiß, was diese im Laufe des Jahres geleistet haben. Ein Seminarteilnehmer erzählte dazu einmal folgende Geschichte:
»Ich führe so ein Lobbuch schon seit Jahren und es ist tatsächlich ein großartiges Instrument für Feedback und die Erhaltung von Motivation. Es hat mich aber auch schon einmal gerettet. Ich hatte nämlich einen Mitarbeiter zur Beförderung vorgeschlagen. Es dauerte dann noch ein Dreivierteljahr, bis er tatsächlich Führungskraft wurde. Leider stellte er sich als Vorgesetzter nicht besonders geschickt an, sondern trat in dieser Position von einem Fettnäpfchen ins nächste. Ein Dreivierteljahr nach der Beförderung bestellte mein Chef mich zu sich und fragte mich, was ich mir denn dabei gedacht habe, diesen Kerl zur Führungskraft zu machen. Ich konnte das bei den vielen Pannen der letzten Monate weder ihm noch mir selbst erklären. Es lag ja jetzt schon anderthalb Jahre zurück, dass ich ihn zur Beförderung vorgeschlagen hatte. Damals hatte ich die Leistung zugrunde gelegt, die er vor zwei bis drei Jahren gezeigt hatte. Daran konnte ich mich aber nicht mehr erinnern. Zum Glück hebe ich meine Lobbücher immer auf und so konnte ich nachschauen. Ich ging dann noch mal zu meinem Chef und zeigte ihm, welche Leistungen die Führungskraft vorher als Mitarbeiter erbracht hatte und welche Projekte er sehr erfolgreich durchgeführt hatte. Mein Chef war sichtlich beeindruckt und meinte, da könne er meine Entscheidung natürlich verstehen und man müsse dem Mann noch eine Chance geben. Er bekam daraufhin ein Coaching. Und ich war heilfroh, nicht als Idiot dazustehen.«
Lob und Anerkennung – Reflexion
- Führe ich ein Lobbuch?
- Wenn »Ja«, nutze ich es konsequent und trage jede außergewöhnliche Leistung eines Mitarbeiters und auch sonstiges positives Verhalten ein?
- Wenn »Nein«, in welcher Form will ich es anlegen?
[i] Wie wertvoll ist Arbeit? Wenig Anerkennung in deutschen Unternehmen. URL: http://www.stepstone.de/Ueber-StepStone/presse/wie-wertvoll-ist-arbeit-wenig-anerkennung-in-deutschen-unternehmen.cfm [Stand: 30.04.2016].
[ii] Hauser, Frank; Schubert, Andreas u. Aicher, Mona: Unternehmenskultur, Arbeitsqualität und Mitarbeiterengagement in den Unternehmen in Deutschland. Ein Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Abschlussbericht. S. 107.
URL: http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/forschungsbericht-f371.pdf [Abruf: 30.04.2016].
[iii] Novak, David: Taking People with You – The Only Way to Make BIG Things Happen, New York 2012, S. 1 f. (eigene Übersetzung).
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