Autor Peter F. Drucker schreibt in seinem Klassiker »The Effective Executive«, eine effektive Führungskraft stelle sich immer wieder die eine zentrale Frage: »Was kann ich beitragen, um die Leistung und die Ergebnisse meiner Organisation maßgeblich zu beeinflussen? Ihr Hauptaugenmerk liegt auf ihrer Verantwortung.«1 Frei nach John F. Kennedy: »Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst!« Für dieses maßgebliche Beitragen bedarf es der Ausrichtung nach außen, heraus aus der eigenen Abteilung hin zum Unternehmen als Ganzem und hin zum Markt, in dem das Unternehmen agiert. Nach Druckers Auffassung konzentrieren sich viele Führungskräfte zu sehr auf ihre kleine Welt, auf den Blick nach unten und nach innen. Die Folge ist eine Abschottung und die Reduzierung von Leistung.
Beitragsdenken fördert die Kooperation im Unternehmen
Ich teile diese Meinung. Tatsächlich höre ich in Unternehmen von Managern regelmäßig Aussagen wie zum Beispiel: »Es gibt hier immer noch Bereichsfürsten, die standhaft ihre Vorgärten verteidigen« oder »Spannungen zwischen den Abteilungen sind bei uns leider Alltag«. Dies ist ein weit verbreitetes Phänomen, das mit dem Wort »Silodenken« eine treffende Bezeichnung gefunden hat. Selbstverständlich haben verschiedene Bereiche des Unternehmens unterschiedliche und zum Teil sogar entgegengesetzte Interessen. So will die Produktion zum Beispiel möglichst viele gleichartige Bestellungen sammeln und dann gemeinsam abarbeiten, weil man für die Herstellung bestimmter Artikel die Produktionsstraße aufwendig umrüsten muss. Der Vertrieb hat dagegen vor allem eine schnelle Auslieferung an den Kunden im Blick. Beide Forderungen sind nachvollziehbar und die Umsetzung muss immer wieder neu ausgehandelt werden. Das Beitragsdenken sorgt nun dafür, dass solche unvermeidbaren Interessenkonflikte nicht in Abteilungskonflikte münden, die sich dann manchmal zu Feindschaften verhärten. Beitragsdenken fördert den Perspektivenwechsel, das Verstehen der Sichtweise der anderen Bereiche und das Finden gemeinsamer Lösungen.
Beitragsdenken fokussiert den Blick nach außen und auf den Kunden
Beitragsdenken fördert den Blick nach außen und auf den Kunden. Drucker schreibt in seinem Buch »Sinnvoll wirtschaften« (Originaltitel: »Managing for Results«), in den Unternehmen gebe es keine Profit-Center, sondern einzig und allein Kosten-Center. Alles was ein Unternehmen unternimmt, kostet Geld. Ob dieses sinnvoll investiert ist, entscheidet letztlich immer der Kunde, denn er ist es, der für diese Leistung zahlt.2 Aus diesem Grund dürfen Unternehmen sich nicht immer mehr mit ihren internen Prozessen und Grabenkriegen beschäftigen, sondern sie sollten sich auf ihren Beitrag für den Kunden fokussieren. Wenn in einem Unternehmen Silodenken herrscht, ist das ein sehr deutlicher Hinweis darauf, dass die Kundenorientierung vernachlässigt wird. Die mit Silodenken einhergehenden typischen Phänomene sind die »Dafür bin ich nicht zuständig«-Mentalität und das »Nicht meine Idee«-Syndrom (»Not invented here«-Syndrom). Das merken nicht nur die verschiedenen Bereiche in der Zusammenarbeit, sondern auch der Kunde.
Beitragsdenken hat Einfluss auf Ergebnisse, Werte und Mitarbeiter
Was für das Unternehmen gilt, das gilt auch für den einzelnen Leader. Dieser sollte sich innerhalb des Unternehmens auf seinen Beitrag für das Unternehmen als Ganzes und für die von ihm belieferten anderen Bereiche konzentrieren. Drucker sieht drei Möglichkeiten, welchen Beitrag eine Führungskraft leisten kann:
1. Ergebnisse
Die erste Art von Beitrag betrifft die direkten Ergebnisse der Organisation. Peter F. Drucker schreibt: »Direkte Ergebnisse stehen immer an erster Stelle. Hinsichtlich Aufbau und Entwicklung einer Organisation spielen sie dieselbe Rolle wie Kalorien bei der Ernährung des menschlichen Körpers.«3 Ein Manager leistet demnach einen Beitrag, wenn er Ergebnisse erzielt, die das Unternehmen mit Fokus auf den Kunden voranbringen.
2. Werte
Wenn die Ergebnisse mit den Kalorien für den Körper vergleichbar sind, dann sind Werte laut Peter F. Drucker die Vitamine und Mineralien, ohne die man langfristig auch nicht gesund und leistungsfähig bleibt. Werte definieren, wofür eine Organisation steht. Ein Manager leistet also einen Beitrag, wenn er die Werte des Unternehmens so beeinflusst, dass es für den Kunden attraktiv ist und auch bleibt.
3. Mitarbeiter
Als Drucker 1967 das Buch »The Effective Executive« veröffentlichte, definierte er den dritten wichtigen Beitrag einer Organisation so: »Sie muss ihr Humankapital kontinuierlich erneuern und sollte das Leistungspotential ihrer Mitarbeiter laufend verbessern.«4 Diese Aufgabe dürfte in Zeiten des demografischen Wandels und des »War for Talents« eine noch deutlich größere Bedeutung bekommen haben als vor 50 Jahren. Viele Unternehmen sehen in der Gewinnung hochqualifizierter Mitarbeiter mittlerweile den größten Engpass im eigenen Wachstum. Ein Manager leistet daher laut Drucker einen Beitrag, wenn er zur Gewinnung und Entwicklung qualifizierter Mitarbeiter beiträgt.
Wenn man bedenkt, dass in diversen Studien im deutschsprachigen Raum der jeweilige Vorgesetzte als Kündigungsgrund auf Platz 1 oder 2 gelistet wird, kann man sich vorstellen, wie gering der Beitrag ist, den solche Manager für die Faktoren »Werte« und »Mitarbeiter« leisten. Im Fokus ist oft einseitig der Faktor »Ergebnisse«. Echte Leader zeichnen sich dagegen dadurch aus, dass sie in allen drei Bereichen einen Beitrag leisten.
Beitragsdenken reduziert Arroganz
Hart ins Gericht geht Drucker mit vielen Experten in den Organisationen. Drucker schreibt, dass sich die Wissensgebiete so entwickelt und vertieft haben, dass eine Art Physiker nicht mehr verstehen kann, womit sich eine andere Art Physiker befasst. Selbst die Bilanzbuchhaltung ist in einem internationalen Unternehmen so kompliziert geworden, dass ein Buchhalter schon als »Wissenschaftler« anzusehen ist, der Experte in einem Wissensgebiet mit eigenen Annahmen, Interessen und einer eigenen Sprache ist. Für sich allein ist aber jedes Fachwissen nur ein Fragment und laut Drucker »völlig steril«. Erst die Kombination des Outputs vieler Spezialisten ergibt ein für den Kunden nutzbares Ergebnis. Um als Spezialist etwas beizutragen, ist es deshalb erforderlich, sich sowohl an den Bedürfnissen als auch am Sprachgebrauch des Empfängers einer Leistung auszurichten. Drucker schreibt über den »Wissenschaftler«: »Es zeugt von einer geradezu barbarischen Arroganz, davon auszugehen, dass der Laie die Anstrengung unternehmen kann oder sollte, ihn zu verstehen, und dass es völlig ausreicht, wenn der Wissenschaftler mit einer Handvoll ebenbürtiger Experten kommuniziert.«5
Wer beitragsorientiert denkt, der richtet sich selbstverständlich an seiner direkten Zielgruppe innerhalb oder außerhalb des Unternehmens aus, für die er Leistung erbringt. Er sorgt dafür, dass sein Beitrag als Experte das liefert, was der andere benötigt, und er nutzt eine verständliche Sprache, um sein Wissensgebiet zu erklären, wenn dies erforderlich ist. Drucker gibt zu bedenken, dass es heutzutage nur noch Spezialisten gibt. Die wenigen Menschen, die sich in mehreren Fachgebieten auskennen, sind laut Drucker keine Generalisten mehr, sondern Spezialisten in mehreren Bereichen.
Beitragsdenken muss vorgelebt werden
Wie vermittelt man aber Beitragsdenken? Wie so oft bei Managementprinzipien muss dieses von oben vorgelebt werden. So schreibt Drucker: »Wenn sich eine Führungskraft darauf konzentriert, einen Beitrag zum Erfolg ihrer Organisation zu leisten, dann hat allein diese Einstellung einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der Mitarbeiter. Menschen passen sich immer an die Anforderungen an, die an sie gestellt werden. Die Führungskraft, die ihr Hauptaugenmerk auf ihren Beitrag richtet, veranlasst damit auch alle ihre Mitarbeiter, sich höhere Ziele und Maßstäbe zu setzen.«6
Beitragsdenken zeigt sich laut Drucker darin, wie Menschen über ihre Arbeit sprechen. Wer beispielsweise sagt: »Ich leite die Marketingabteilung und habe 30 Mitarbeiter«, der konzentriert sich auf seinen Titel und die Funktion. Wer dagegen Beitragsdenken praktiziert, würde sich eher so ausdrücken: »Ich bin dafür zuständig, unsere Produkte und Dienstleistungen so zu vermarkten, dass unsere Kunden sie kennen und gut finden.« Statt »Ich bin der Chef der Personalabteilung« könnte jemand sagen »Ich sorge dafür, dass das Unternehmen gute Leute bekommt und diese gefördert werden«. Solche Aussagen zeigen laut Drucker, dass sich jemand Gedanken über seinen Beitrag zum Unternehmen gemacht hat.
Die Beitragsorientierung ist eines der Prinzipien, die Sie als Führungskraft zu außergewöhnlichen Leistungen befähigen. Artikel zu den anderen Prinzipien finden Sie im Überblick zum Thema Leistungsorientierung.
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1 Drucker, Peter F.: The Effective Executive: Effektivität und Handlungsfähigkeit in der Führungsrolle gewinnen, München 2014, S. 61.
2 Drucker, Peter F.: Sinnvoll wirtschaften, Düsseldorf/München 1997, S. 18.
3 Drucker, Peter F.: The Effective Executive: Effektivität und Handlungsfähigkeit in der Führungsrolle gewinnen, München 2014, S. 64.
4 Ebenda.
5 Ebenda, S. 69.
6 Ebenda, S. 65.