Als Führungskraft sieht man sich immer wieder in der Situation, dass Mitarbeiter ein Fehlverhalten zeigen oder sich nicht an Absprachen halten. Es kommt der Zeitpunkt, an dem Sie das ansprechen müssen. Nicht ohne Grund haben viele Führungskräfte vor diesem Gespräch und den möglichen Reaktionen Respekt. Denn kaum ein Mitarbeiter wird eine kritische Rückmeldung kommentarlos hinnehmen, sein Verhalten umstandslos ändern oder sich gar entschuldigen. Oft beginnt die angesprochene Person dagegen, sich reflexhaft zu verteidigen und eine unfruchtbare Diskussion nimmt ihren Lauf. Das Problem liegt dabei aber oft weniger beim Mitarbeiter als bei der Führungskraft selbst. Stress und Selbstverteidigungsreflex fallen deutlich geringer aus, wenn die Führungskraft Zeitpunkt und Gesprächsführung besser wählt. Beim ersten Gespräch sollte freundliche Nachfrage und Neugier den Grundton der Unterhaltung bestimmen und nicht Verärgerung.
Wie Sie Fehlverhalten ansprechen – fünf Eskalationsstufen
Sie als Führungskraft nehmen ein Verhalten als unangemessen wahr, als »Fehlverhalten«, das negative Folgen zeitigt. Suchen Sie am besten rechtzeitig das Gespräch, damit Sie nicht alle Stufen der Eskalation nehmen müssen:
Leider versäumen viele Führungskräfte das Klärungsgespräch. Schauen wir uns am Beispiel eines unpünktlichen Mitarbeiters an, worauf es bei der 3-K-Methode ankommt.
Fallbeispiel Unpünktlichkeit
In einer Abteilung gilt für die Mitarbeiter Gleitzeit zwischen 7:30 und 9:00 Uhr. Bis spätestens um 9:00 Uhr müssen jedoch alle Mitarbeiter am Platz sein, weil dann das Telefonaufkommen stark ansteigt. Ein Mitarbeiter kommt nun zweimal eine Viertelstunde nach 9:00 Uhr. Jetzt wäre das Klärungsgespräch sinnvoll, bei dem die Führungsperson freundlich und ohne Vorwurf nachfragt, woran das liegt.
1. Klärungsgespräch
Emotion:ruhig, freundlich, neugierig
Inhalt:»Hallo, Herr Mitarbeiter, mir ist aufgefallen, dass Sie diese Woche zweimal eine Viertelstunde nach 9:00 Uhr gekommen sind. Gibt es dafür besondere Gründe?«
Es kann gute Gründe geben: Ein Familienmitglied ist krank und/oder er muss die Kinder morgens in den abgelegenen Kindergarten bringen. Der öffentliche Nahverkehr hat eine ernsthafte Störung bzw. der Ersatzverkehr funktioniert nicht etc. Wenn der Mitarbeiter keine akzeptablen Gründe anführt, bittet man ihn im freundlichen Ton, in Zukunft auf die Pünktlichkeit zu achten.
Ergebnis:Dem Mitarbeiter wird klar, dass die Führungskraft das Zuspätkommen wahrgenommen hat und es nicht als ein zu tolerierendes Verhalten oder ein Kavaliersdelikt gelten lässt. Die vorhandene Grenze ist freundlich kommuniziert worden. Wahrscheinlich wird sich der Mitarbeiter bemühen, sein Verhalten anzupassen. Hier kann die Eskalation schon enden, ohne dass negative Emotionen entstanden sind.
2. Kritikgespräch
Kommt der Mitarbeiter jedoch weiterhin zu spät, folgt das Kritikgespräch. Nun ist etwas Emotionalität vorhanden, diese ist aber noch begrenzt:
Emotion:energisch, klar und auf den Punkt
Inhalt:»Hallo, Herr Mitarbeiter, Sie waren heute wieder 20 Minuten nach 9:00 Uhr am Arbeitsplatz. Wir hatten ja schon über das Thema Pünktlichkeit gesprochen und vereinbart, dass Sie um 9:00 Uhr vor Ort sind, um die Kollegen am Telefon zu entlasten. Ihr Zuspätkommen ist nicht akzeptabel. Achten Sie bitte darauf, in Zukunft spätestens um 9:00 Uhr am Platz zu sein. Können wir uns darauf einigen?«
Wichtig ist dabei, das Verhalten neutral zu beschreiben, sodass der andere es akzeptieren kann. Vorgesetzte neigen besonders bei Verärgerung dazu, Bewertungen einzubringen: »Ihnen scheint es ja völlig egal zu sein, ob die Kollegen die Anrufe alleine bearbeiten müssen. Keiner hat Lust, seine Arbeit zu unterbrechen und ans Telefon zu gehen. Leute wie Sie nehmen sich aber heraus …« Solche Bewertungen verursachen einen Verteidigungsreflex und führen zu Verärgerung. Nennen Sie das beobachtete Verhalten und machen Sie klar, dass es so nicht weitergeht.
Ergebnis: Der Mitarbeiter hat verstanden: Die Grenze ist erreicht.
3. Konfliktgespräch
Kommt der Mitarbeiter nun wieder zu spät, ist das Konfliktgespräch angebracht. Sie benennen wie im Kritikgespräch das beobachtete Verhalten, Sie signalisieren aber nun auch, dass Sie verärgert sind, weil eine bereits kommunizierte Grenze überschritten wurde. Drücken Sie Ihre Verärgerung deutlich aus.
Emotion:erregt, verärgert, Einhaltung der Grenze einfordern
Inhalt:Sie beschreiben neutral und ohne Wertung das beobachtete Verhalten und sagen am Schluss, welche Reaktionen das bei Ihnen auslöst (»das ärgert mich«, »das macht mir Sorgen«, »das macht mich ratlos« etc.). Dem kann der Mitarbeiter erst mal nicht widersprechen. Anschließend stellen Sie die Frage: »Wie sehen Sie das?«
»Herr Mitarbeiter, Sie sind heute wieder um 9:15 Uhr erschienen. Das geht so nicht! Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich an die wiederholt besprochene Vereinbarung halten und pünktlich sind. Wir reden jetzt zum dritten Mal über dieses Thema und DAS ÄRGERT MICH! Wie sehen Sie das?«
Nach der Antwort des Mitarbeiters können Sie ergänzen durch:
»Was werden Sie tun, um Ihre Pünktlichkeit in Zukunft sicherzustellen, damit wir hier kein viertes Mal zusammensitzen?«
Bei Ausflüchten des Mitarbeiters:
»Wenn Sie der Chef wären, was würden Sie denken, wenn Sie mit Ihrem Mitarbeiter heute zum dritten Mal über das Thema sprechen müssen und er bei jedem Gespräch neue Argumente vorbringt, warum er es auch dieses Mal nicht schaffen konnte?«
Möglich ist zum Schluss auch eine klare Warnung (aber keine Drohung, der Unterschied liegt oft nur im Ton):
»Wenn das noch mal passiert, sehe ich mich gezwungen/werde ich ABC unternehmen.«
Ergebnis: Dem Mitarbeiter ist bewusst, dass er eine Grenze überschritten hat und sich nun sehr bemühen muss, da eine Wiederholung ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen würde.
Mit diesen 3 K-Gesprächen (Klärungs-, Kritik-, Konfliktgespräch) beenden Sie in den meisten Fällen ein Fehlverhalten. Die beiden weiteren Eskalationsstufen 4 und 5 sind das Abmahnungs- und das finale Kündigungsgespräch. Wenn Sie eines dieser Gespräche führen, sollte es nach dem emotionalen Konfliktgespräch von Stufe 3 wieder im ruhigen Ton erfolgen. Ihre Emotionen zu zeigen, hat bisher nichts bewirkt. Eine erneute starke Emotionalität ist daher nicht mehr angebracht. Ab jetzt sollten Sie Ruhe ausstrahlen als Zeichen für Ihre reflektierte Entschlossenheit.
Warum so viele Gespräche verärgert beginnen und enden
Viele Führungskräfte warten so lange mit dem ersten Gespräch, also dem »gut gelaunten« Klärungsgespräch, bis es zu spät ist. Das Ganze läuft dann eher so ab: Der Mitarbeiter kommt zu spät. Die Führungskraft nimmt sich vor, es bei passender Gelegenheit mal anzusprechen, aber diese ergibt sich nicht. Schließlich legt der Vorgesetzte ein Meeting extra auf 9:00 Uhr, um ein Exempel zu statuieren. Er will den Mitarbeiter bei einem zu späten Eintreffen vor allen anderen ermahnen. Genau an dem Tag kommt der Mitarbeiter aber recht früh und die Chance zur öffentliche Rüge ergibt sich nicht. Danach ist die Führungskraft für zwei Tage auf Geschäftsreise und erfährt nach ihrer Rückkehr, dass der Mitarbeiter inzwischen wieder zweimal zu spät gekommen ist. Jetzt steigt der Blutdruck der Führungskraft und sie denkt: »Was erlaubt der sich eigentlich? Das ist ja unverschämt! Das lass ich mir nicht bieten.« Die Führungskraft ist jetzt mit ihrer deutlichen Verärgerung emotional vielleicht sogar schon auf Stufe 3 angekommen, also beim Konfliktgespräch. Ein wohlwollendes Nachfragen und das freundliche Erinnern an eine Grenze (Klärungsgespräch) hat es nicht gegeben. Das klare Einfordern eines Verhaltens (Kritikgespräch) ebenfalls nicht. Wenn der Vorgesetzte jetzt das Gespräch mit beträchtlichem Ärger im Bauch führt, geht das häufig mit verletzenden Bewertungen einher. Durch die Emotionen und Vorwürfe fühlt sich der Mitarbeiter »überfallen« und regiert nicht einsichtig, sondern mit Abwehr und ebenfalls mit Verärgerung. Die Führungskraft wiederum kann es nun kaum fassen, dass der Mitarbeiter es nach all den vorgefallenen Verspätungen auch noch wagt, Gegenwehr zu zeigen. Die Geprächsfronten verhärten, beide vertiefen ihre Schützengräben.
Manche Vorgesetzte warten sogar ganz bewusst noch einige »Fehltritte« ab, um sich selbst emotional aufzuladen und den »Mut« zu finden, das Gespräch überhaupt zu führen. Sie wollen dabei »genügend Munition« haben, um dem anderen »mal richtig einzuschenken«. Dass sie das anschließende Gefecht zum guten Teil selbst mitverursacht haben, würden sie mit großer Überzeugung von sich weisen.
Fazit:
Halten Sie als guter Leader die Eskalationsabfolge der fünf Stufen ein und führen Sie bei Fehlverhalten zeitnah das Klärungsgespräch, bevor Sie selbst Emotionen anstauen. Damit ermöglichen Sie einen entspannten Umgang mit einer sonst möglicherweise eskalierenden Situation.