Kurzkritik
Malcolm Gladwell zeigt in diesem überragenden Buch auf, welche Faktoren Menschen tatsächlich erfolgreich machen. Dies ist eines der besten Bücher über Talent, auch wenn der zweite Teil des Buches darüber hinausgeht. Es ist eine wunderbare Lektüre für Führungskräfte und für Eltern. »Überflieger« eignet sich sehr gut als Geschenk, denn es spricht eine sehr breite Leserschaft meisterlich an.
Autor: Malcom Gladwell
Seiten: 272
Verlag: Campus
Preis: 20 €
Ausführliche Kritik
Der Autor Malcom Gladwell (*1963) ist Journalist in der Redaktion der Zeitschrift The New Yorker und Autor von »Blink! Die Macht des Moments« (2005) und »Tipping Point« (2000). Dass seine Publikationen auf den Bestsellerlisten ganz oben erscheinen, ist verständlich, denn Gladwell ist ein wunderbarer Geschichtenerzähler. Es gibt wohl nur sehr wenige Autoren weltweit, die Wissen mit einer solchen sprachlichen Leichtigkeit vermitteln können. Seine Bücher sind ein echter Lesegenuss, was man von anderen Sachbüchern oft nicht behaupten kann. Auch die Übersetzung von Jürgen Neubauer scheint mir sehr gelungen, denn der anschauliche Schreibstil bleibt auch in der deutschen Ausgabe (2009) erhalten.
In »Überflieger« beschäftigt sich Gladwell mit der Frage: Warum sind manche Menschen erfolgreich und andere nicht? Dieses Buch empfehle ich sowohl Führungskräften als auch Eltern. Wenn Sie beides sind, lesen Sie es unbedingt!
Das Buch ist in zwei Teile gegliedert:
1. Chance
Gladwell beginnt den ersten Teil mit der Feststellung, dass Erfolg nicht nur von der erfolgreichen Person selbst abhängt, sondern auch von den Umständen und Chancen, die jemand im Leben vorfindet. Diese Umfeldfaktoren beleuchtet Gladwell in seinem Buch. Oft ist Erfolg das, was Soziologen als »sich akkumulierenden Vorteil« beschreiben. So besitzen beispielsweise Kinder, die im Januar geboren werden bei vielen Sportarten Vorteile gegenüber den Kindern, die erst Ende des Jahres zur Welt kommen. Beide gehören zum gleichen Jahrgang, aber der Januargeborene ist wahrscheinlich körperlich schon weiter entwickelt und hatte fast ein Jahr mehr Zeit zum Üben. Er kommt daher eher in einen Elitekader, in dem er wiederum wesentlich mehr Übungsstunden absolviert, als der später im gleichen Jahr Geborene, der in einer normalen Mannschaft spielen muss. Die Folge ist, dass fast alle Länder auf die Hälfte ihrer potenziellen nationalen Sporttalente verzichten, weil die in der zweiten Jahreshälfte geborenen es statistisch nur selten in eine Nationalmannschaft schaffen.
Im Anschluss stellt der Autor die durch ihn berühmt gewordene 10.000-Stunden-Regel am Beispiel von Bill Joy, den Beatles und Bill Gates vor. Die Regel besagt, dass Menschen, die in einer Tätigkeit Weltklasseniveau erreicht haben, diese ohne Ausnahme 10.000 Stunden üben mussten. Dafür wiederum müssen die richtigen Voraussetzungen gegeben sein. So hatte Bill Gates zum Beispiel schon in der Schulzeit Zugang zu Computern, was damals noch sehr unüblich war. Nur so kam er auf die erforderlichen 10.000 Stunden an Erfahrung im Programmieren, um später das Harvard-Studium aufgeben und sein Unternehmen gründen zu können.
Sehr interessant ist auch das dritte Kapitel über Intelligenz. Man benötigt laut Gladwell zwar eine Mindestmaß an Intelligenz, um erfolgreich zu sein, aber darüber hinaus bringt hohe Intelligenz keinen Vorteil. Im vierten Kapitel beschäftigt sich Gladwell mit Erziehungsstilen. Tatsächlich unterscheidet er nur zwei, die aber darüber entscheiden, ob die eigenen Kinder später im Leben erfolgreich werden oder nicht. Der Unterschied sei hier nicht verraten, um Ihnen nicht die Spannung zu nehmen. Im fünften Kapitel geht es um das weitere Umfeld, das häufig dazu beiträgt, dass Menschen außergewöhnlich erfolgreich werden. So zeigt der Autor beispielsweise, dass es für manche erfolgreichen Amerikaner gut war, in einem jüdischen Umfeld mit der dazugehörigen Arbeitsethoskultur aufzuwachsen. Andere profitierten von der demografischen Delle, durch die man in geburtenschwachen Jahrgängen zum Beispiel eher Zugang zu renommierten Universitäten erhält.
2. Erbe
Der zweite Teil ist ebenfalls interessant, wenn auch weniger relevant für das Thema »Talent« und Führung. Da Gladwell ein fantastischer Autor ist und im zweiten Teil Spannendes über die Förderung von Kindern sagt, sollten Eltern sowie an Allgemeinbildung Interessierte ihn lesen. Im sechsten Kapitel geht es darum, wie eine »Kultur der Ehre« das Handeln von Menschen auch Generationen später noch beeinflusst. Im siebten Kapitel wird erörtert, wie sich kulturelle Prägungen auf unser Leben auswirken. Gladwell verdeutlicht das Problem der kulturellen Kommunikationsbarrieren am Beispiel von Flugzeugabstürzen. Im achten Kapitel erklärt der Autor, was Reisanbau mit Mathematikleistungen zu tun hat und warum jedes Kind gut in Mathe sein kann. Im neunten Kapitel berichtet er über die berühmten KIPP-Academies, die es in USA an vielen Standorten gibt. Dort werden auch Schüler aus unterprivilegierten Schichten so gefördert, dass sie später sehr erfolgreich studieren. Welche Prinzipien dazu beitragen, ist für Eltern sehr interessant und unbedingt lesenswert.
Leseempfehlung:
Führungskräfte sollten zum Thema »Talent« mindestens den ersten Teil mit seinen fünf Kapiteln lesen, für den Spaß auch gerne das ganze Buch. Aus dem zweiten Teil des Buches empfehle ich den Eltern das Kapitel 8 und 9 anzusehen, denn es hilft ihnen, ihre Kinder in der Schule erfolgreich zu machen.
Fazit:
Malcom Gladwell ist ein fantastischer Autor, der sehr anschaulich schreibt. Er findet spannende Inhalte und kann diese auf hohem Niveau vermitteln. Eine echte Lesefreude mit hohem Erkenntniswert. Sowohl für Führungskräfte als auch für Eltern unbedingt empfehlenswert!
© 2015 Alexander Groth (www.leadershipjournal.de)