Kurzkritik
Dieses Buch ist eine Empfehlung für Fortgeschrittene, die schon vieles zum Thema Leadership gelesen haben und den Wunsch verspüren, Experte auf dem Gebiet zu werden. Der Autor Prof. Northouse stellt in seinem englischsprachigen Buch die Entwicklung der verschiedenen Leadership-Theorien wissenschaftlich vor. Das klingt nach trockener Theorie, ist es aber nicht. Dem Autor gelingt ein seltenes Kunststück: Er schafft es, bei jeder Theorie interessante Bezüge zur Praxis herzustellen, indem er sehr anschauliche Beispiele und spannende Fallstudien einbezieht. Der Schreibstil und die Struktur sind vorbildlich in ihrer Klarheit. Wer die sehr differenzierten Argumentationen von Northouse nachvollzogen hat, kann in Diskussionen um Leadership-Themen mit Leichtigkeit mitreden bis hin zu dominieren.
Autor: Peter G. Northouse
Seiten: 494
Verlag: Sage Publications
Preis: 70
Ausführliche Kritik:
Der Autor Peter G. Northouse war 20 Jahre lang Professor für Kommunikation an der School of Communication an der Western Michigan University. Seit 30 Jahren beschäftigt er sich mit der Forschung zu den Schwerpunkten Kommunikation und Führung. In diesem Buch vermittelt der Autor zusammen mit einigen wenigen ausgewählten Kollegen, was die Wissenschaft zum Thema Leadership beizutragen hat. Es ist ein Glücksfall, dass er nicht nur ein Experte für Kommunikation ist, sondern auch deren praktische Umsetzung sensationell beherrscht. Wissenschaftliche Publikationen zeichnen sich häufig dadurch aus, dass sie staubtrocken formuliert sind und, als wäre das nicht schlimm genug, auch noch kaum eine verwertbare Erkenntnis für Praktiker zu bieten haben. Northouse dagegen gehört zu den wenigen Ausnahmen. Seine leicht verständliche, anschauliche Schreibe und auch seine Argumente sind sehr klar. Dadurch lässt sich das Buch schon mit durchschnittlichen Englischkenntnissen lesen.
Northouse schreibt ganz im Sinne von Schopenhauers Forderung: »Man gebrauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge.« In 16 Kapiteln über knapp 500 Seiten breitet Northouse sein Wissen über Leadership-Theorien aus. In den Kapiteln 2 bis 5 werden die Klassiker Trait Approach, Skills Approach, Behavioral Approach und Situational Approach behandelt. In den folgenden Kapiteln werden dann Theorien besprochen, die durch Business Schools und MBA-Programme bekannt sind, wie zum Beispiel Tranformational Leadership, Authentic Leadership oder Servant Leadership. Ergänzt wird das Ganze in der zweiten Hälfte des Buches um aktuellere Theorien, um schließlich weitere praxisrelevante Themen wie Leadership Ethics, Team Leadership und Culture and Leadership zu vertiefen.
Die Kapitel sind jeweils gleich aufgebaut:
- Description
- Strength
- Criticisms
- Application
- Case Studies
- Leadership Instrument
- Summary
- References
Northouse zerlegt und kritisiert jeden Führungsansatz nach diesem Schema, nennt seine Vor- und Nachteile und regt so zum differenzierten Nachdenken über die Ansätze an. Man lernt beim Lesen schnell: Es gibt nicht DEN richtigen Führungsansatz. So war ich zum Beispiel erstaunt, dass der Servant-Leadership-Ansatz, den ich sehr schätze, bei manchen Mitarbeitern nachweislich zu schlechter Leistung führt, wenn diese eine solche Führung nicht wünschen. Ich war bisher der Ansicht, Mitarbeiter würden stets einen Servant Leader bevorzugen. Dieses Buch ist ähnlich wie Phil Rosenzweigs »Der HALO-Effekt« auch eine Schulung für das kritische Denken.
Antoine de Saint-Exupéry sagt: »Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann.« Diese Reduktion gelingt im gesamten Buch. Als Autor kann ich ansatzweise erahnen, welche Arbeit hier geleistet wurde.
Das Buch gibt in der bisher achten Auflagen den Stand der Forschung wieder und wurde jeweils mit neuen und gestrichenen Kapiteln stark überarbeitet. Daher empfehle ich, die teure aktuelle Auflage oder aber die gebrauchte und damit wesentlich billigere vorletzte Auflage zu nutzen. Ältere Auflagen würde ich eher meiden, denn die Erstauflage ist vor über 20 Jahren erschienen und auch weitere Auflagen sind inhaltlich mittlerweile veraltet.
Fazit:
Selten kann ein Professor so anschaulich erklären, was die Forschung zu einem Thema für Praktiker zu bieten hat. Das Buch gilt mit Fug und Recht als Klassiker und ist jedem Fortgeschrittenen zu empfehlen, der sich vertieft in das Thema Leadership auseinandersetzen will.
© 2018 Alexander Groth (www.leadershipjournal.de)