Prof. Dr. Hermann Simon hat es einmal sehr treffend so formuliert:
»Eine gute Vision erwächst aus einer delikaten Balance zwischen Realitätssinn und Utopie. Vision ist das gerade noch Machbare.«1
Wie aber entwickelt man eine solche Vision für das eigene Unternehmen oder den eigenen Bereich?
Ari Weinzweig, CEO und Mitbegründer von Zingerman’s Gourmet Food Company in Ann Arbor (USA), stellt in »Creating a Company Vision« eine Methode vor, die er in seinen Unternehmen anwendet. 1982 eröffnete Ari Weinzweig zusammen mit Paul Saginaw das Zingerman’s Deli und baute es zu einem Unternehmen aus, das 2014 mit 500 Mitarbeitern einen Umsatz von 50 Millionen Dollar erwirtschaftete. Sein Artikel stellt die Methode ausführlich und mit vielen Beispielen vor. Die Vision soll das Zukunftsbild formulieren, aber noch nicht die Strategie, wie es zu erreichen ist. Ich habe den roten Faden des Artikels als Anregung für eine Übung zusammengefasst und empfehle Ihnen, zur Vertiefung den exzellenten Original-Artikel bei Inc.com zu lesen.
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Finden Sie Ihre LebensvisionVision, Mission & WerteSteve Jobs, seine Vision und sein RDFSchritt 1 zur Unternehmensvision: Worum geht es?
Als Erstes sollten Sie laut Weinzweig klar festlegen, wofür Sie eine Vision erstellen wollen. Auch wenn dieser Artikel sich mit dem Thema Unternehmensvision beschäftigt, werden Sie vielleicht eine Vision für einen Bereich, eine Abteilung, ein Team oder auch die eigene Selbstständigkeit kreieren wollen. Grenzen Sie klar ein, worum es genau gehen soll.
Schritt 2: Wo ist der Zeithorizont?
Legen Sie den Zeitraum fest, auf den sich Ihre Vision bezieht. Bei einem Zeitraum von ein bis zwei Jahren kann man vielleicht noch nicht von einer Vision sprechen. Meist setzt man sich für einen so kurzen Zeitraum schon sehr konkrete Ziele. Eine Vision bezieht sich daher eher auf drei, besser sogar auf fünf oder zehn Jahre. Natürlich ist auch jede Jahreszahl dazwischen gut geeignet, wenn sich dadurch ein für Sie relevantes oder auch markantes Datum ergibt (z. B. 31.12.2025). Ari Weinzweig empfiehlt, im Zweifelsfall mit fünf Jahren zu starten.
Schritt 3: Worauf sind Sie stolz?
Rufen Sie sich Ereignisse und Erfolge in Erinnerung, die Sie und Ihr Team in den letzten Jahren erreicht haben. Schreiben Sie diese auf, um positive Energie aufzubauen. Je mehr Sie sich selbst auf das Positive einstimmen und von den Tagesproblemen lösen, desto eher können Sie ein positives Bild der Zukunft entwerfen. Weinzweig empfiehlt, nicht mehr als 10 Minuten dafür zu verwenden.
Orientieren Sie sich auf die vorhandenen Stärken, denn diese machen Sie langfristig erfolgreich. Bei den Erfolgen kamen die Stärken meist zum Einsatz. Worauf sind Sie stolz?
Schritt 4: Schreiben Sie einen Entwurf
Beginnen Sie nun damit, einen Entwurf zu schreiben. Fangen Sie einfach an und machen Sie sich nicht zu viele Gedanken. Das Wort »Entwurf« oder »Draft« notieren Sie auf den Kopf der Seite. Weinzweig argumentiert, allein diese Bezeichnung würde zu mehr Inhalt und Ideen führen, da es dem Ganzen das Endgültige, das Formale nehme. Ein »Entwurf« ist offen für spätere Änderungen und das Einholen von Feedback.
Für das Schreiben gibt Weinzweig diese Empfehlungen:
- Richten Sie Ihren Blick auf etwas Großartiges. Die Aufgabe besteht darin, etwas von Bedeutung zu verfassen. Wenn der erste Entwurf Ihnen nicht ein bisschen Angst verursacht, haben Sie zu kurz gezielt.
- Schreiben Sie aus Ihrer Intuition. Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl statt auf das, was andere hören wollen. Was wollten Sie immer schon, obwohl (innere und äußere) Zensoren gesagt haben, das ginge nicht?
- Versetzen Sie sich in die Zukunft. Es hilft, wenn Sie schreiben, als wären Sie bereits in der Zukunft angekommen. Schreiben Sie, als wäre die Vision schon Wirklichkeit.
- Schreiben Sie schnell. Nehmen Sie sich 15 bis 30 Minuten Zeit und schreiben Ihre Gedanken ungefiltert auf. Überarbeiten Sie auf keinen Fall, Sie streichen sonst vielleicht die interessantesten Elemente.
- Schreiben Sie persönlich. Eine Vision, die eine Mischung aus Persönlichem und Professionellem ist, ergibt etwas Einzigartiges. Sagen Sie, was Sie am liebsten tun wollen. Lassen Sie Ihre Passion Teil der Vision werden.
Weinberg empfiehlt, sich für den Entwurf 15 bis 30 Minuten Zeit zu nehmen und ihn dann für mehrere Tage beiseitezulegen.
Schließlich beschreibt Weinzweig noch eine Vorgehensweise für Gruppen. Bei mehreren Entscheidern oder Top-Managern empfiehlt er, dass jeder erst einmal seinen eigenen Entwurf verfasst und diese im Anschluss vorgestellt werden. Dabei ist es wichtig, dass sich alle Beteiligten sehr gut zuhören und die einzelnen Themen und Aspekte am Whiteboard oder Flipchart festgehalten werden. Anschließend wird diskutiert. Hier geht es nicht nur um Sachargumente, sondern vor allem auch um die Stärke der Gefühle, welche die einzelnen Themen auslösen. Zum Schluss wird abgestimmt. Ari Weinzweig empfiehlt bei zehn festgehaltenen inhaltlichen Themen jedem Teilnehmer vier Punkte zu geben und so das Wesentliche auszuwählen.
Schritt 5: Überdenken und Neuentwurf
Als Nächstes sollten Sie die Unternehmensvision konkret werden lassen. Überarbeiten Sie den ersten Entwurf. Beschreiben Sie so konkret wie möglich den Zustand, der erreicht wird, wenn die Vision umgesetzt ist. Was gibt es dann zu sehen, zu hören oder zu riechen? Konkrete Bilder in unserem Kopf bewirken mehr als viele Worte und energetisieren uns. Ari Weinzweig bringt als Beispiel eine Vision von 2005, die detailliert beschreibt, wie ein regionaler Bauernmarkt vor einem von Zingerman’s Roadhouses in drei Jahren aussehen wird: welche und wie viele Aussteller gibt es, wie fühlen sich die Menschen dort und welche Aktivitäten werden zusätzlich angeboten. Diese Beschreibung liest sich wie die Seite eines Romans, die ein farbiges Bild im Kopf erzeugt. Drei Jahre später, also 2008 gab es den Markt und er entsprach genau der Beschreibung.
Schritte 6A, 6B, 6C: Überarbeitung, Überarbeitung, Überarbeitung
Weinzweig empfiehlt, den Entwurf noch bis zu dreimal zu überarbeiten. Nicht öfter. Danach sei es wichtiger, zu Schritt 7 weiterzugehen, als immer wieder über Details nachzudenken oder diese auszuformulieren. Sonst werden Sie noch Jahre an Ihrer Vision feilen und nie fertig werden.
Schritt 7: Input erbitten
Jetzt ist es Zeit, die Katze aus dem Sack zu lassen. Suchen Sie sich Menschen, denen Sie vertrauen und die Expertise haben bezogen auf die Inhalte Ihrer Unternehmensvision. Lassen Sie sich beraten. Denken Sie aber daran, dass es Ihre Vision ist und Sie nicht verpflichtet sind, irgendetwas zu ändern. Lassen Sie sich Ihre Leidenschaft nicht ausreden.
Schritt 8: Teile die Vision
Im letzten Schritt stellen Sie die Vision all den Menschen vor, die an der Umsetzung beteiligt sein werden. Laut Weinzweig fragen diese dann oft nach dem »Wie« der Umsetzung. Diese Fragen muss man zu diesem Zeitpunkt noch nicht beantworten können. Wichtiger ist, dass das »Was«, also die Vision, akzeptiert wird.
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Hier ist noch einmal die Quelle:
Ari Weinzweig: »Creating a Company Vision«. URL: http://www.inc.com/magazine/20110201/creating-a-company-vision.html [Abruf: 25.08.2016].
1 Simon, Hermann: Geistreiches für Manager, S. 18, Frankfurt 2000